Der digitale Zwilling oder auch auf Englisch „digital twin“ wird in Zusammenhang mit dem Schlagwort Industrie 4.0 immer bekannter. Der digitale Zwilling ist die exakte virtuelle Abbildung eines Produkts oder Systems, das die spezifischen Eigenschaften des realen Gegenstücks exakt beschreibt. Zwischen digitaler und physischer Welt besteht eine 1:1‑Beziehung. In der virtuellen Umgebung verhält sich der digitale Zwilling wie der physische Gegenpart in der Realität. Der digitale Zwilling ermöglicht die Beantwortung aller „was-wäre-wenn“-Fragen als virtuelles Abbild und unter Einbeziehung von realen Daten. Der digitale Zwilling macht die Auswirkungen von Veränderungen in aller Konsequenz sichtbar, indem er (/dieser) Optimierungsansätze simuliert.
Der digitale Zwilling wird bereits in den folgenden Gebieten verwendet:
- Industrielle Fertigung von technischen Produkten
- Produktions- und Auftragssteuerung
- Transportwirtschaft
- Medizin
Der digitale Zwilling in der Logistik
Forschungsprojekte von der BMW Group und Bosch Connected Industry arbeiten an einem digitalen Zwilling der Lieferkette. Das Forschungsprojekt von Bosch beinhaltet zum Beispiel die lückenlose Kontrolle der Güter in multinationalen Lieferketten. Sensoren auf Packstückebene schicken in Echtzeit zustandsrelevante Daten an ein Gateway. Zusammen mit Positionsdaten werden sie in die Cloud gesendet und sind so unternehmensübergreifend verwendbar. Die Daten werden automatisiert übertragen, wenn sich das Packstück autonom an definierten Punkten der Lieferkette meldet. BMW erforscht an einem globalen Lieferantennetzwerk mit diversen Logistikdienstleistern. Dabei sorgt ein auf künstlicher Intelligenz basiertes Programm für völlige Transparenz in der Lieferkette. Die Positionsdaten eines Guts werden alle 15 Minuten aktualisiert, um mögliche Lieferverzögerungen frühzeitig zu erfassen.
Digitale Zwillinge können in der Logistik in einer Vielzahl von Anwendungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingesetzt werden, beispielsweise beim Management von Containerflotten, der Überwachung von Transporten oder der Gestaltung von Logistiksystemen. So geben zum Beispiel IoT-Sensoren an einzelnen Containern deren Standort an und bewachen sie auf Schäden und Verschmutzung. Diese Daten bewegen sich in einen digitalen Zwilling des Containernetzes, das durch maschinelles Lernen dafür sorgt, dass die Container so effizient wie möglich eingesetzt werden. Digitale Zwillinge können nicht lediglich für einzelne Objekte, sondern auch für ganze Netzwerke und Ökosysteme wie Lagerhäuser verwendet werden, indem ein 3D-Modell einer Montage mit Bestands- und Betriebsdaten verknüpft wird. Damit kann das System zum einen eine Übersicht über den Zustand von Maschinen und die Verfügbarkeit von Waren geben und zum anderen Vorhersagen und autonome Entscheidungen über Lagerbestände oder Transportaktivitäten treffen.
Für den Anlagen- und Maschinenbau ermöglicht die größere Transparenz und Konnektivität der Lieferkette Effizienzsteigerungspotenziale. Beispielsweise können Kapazitätsengpässe bei den Lieferanten oder Verzögerungen in der Zollabwicklung rechtzeitig festgestellt und deren Auswirkungen auf die Fertigstellung einer Maschine oder Anlage eingeschätzt werden.
Die Häfen in Frankreich weiten ihre digitalen Plattformen zum Informationsaustausch für ihre Partner im Hafenumfeld aus, um die Warenabwicklung effizienter zu machen. Gemeinsame Standards sollen Bewegungen des Schiffes übertragen können, um die Durchführung im nächsten Hafen zu beschleunigen.
Außerdem soll eine Plattform mit Blockchain-Technologie weitere Verkehrswege erschließen. Auf diese Weise könnten Warenströme aufgezeichnet und der Transport optimiert werden.
Daten werden aber nicht nur auf Plattformen eingesperrt, sondern immer mehr auch automatisch.
Zukünftig sollen Bahn- und Lkwverkehr angepasst werden. Durch Trackingboxen, welche mit einem Sensor verbunden sind, kann die Unversehrtheit von Containern erkannt werden und damit eine zügigere Zollabwicklung stattfinden.
Fazit
Der digitale Zwilling ist eine große Hilfestellung und bietet Optimierungsmöglichkeiten in jeglichen Bereichen der Industrie und des Dienstleistungssektors. Wie zum Beispiel im Bereich des Produktdesigns, womit neue Ansprüche erfüllt werden können, sowie bestehende Problemstellungen schneller und auch kostengünstiger gelöst werden können. Vorhersagen und Gefahrenbehebungen durch Simulationen, Abschätzungen von Risiken, Verbesserung der Qualitätssicherung – all diese Schlagworte sind Potenziale dieser Technologie in sämtlichen Lebensbereichen. Dem gegenüber stehen auch Risiken, die das Neue und auch an einigen Stellen noch Unbekannte mit sich bringt. Doch wie bei allem gilt es, sich weder voller Euphorie hinzugeben, noch skeptisch auf dem Gewohnten zu beharren. Der Mittelweg als Umgang mit digitalen Zwillingen wird sicherlich zu zahlreichen Vorteilen und Erleichterungen im Alltag jedes Einzelnen, wie auch im Alltag eines Betriebs führen.